Pforzheim – Die Mischung macht’s REVISITED #3

Pforzheim - Die Mischung macht's REVISITED #3

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Movie Artwork

In Pforzheim lebt die Welt. Menschen aus mehr als 140 Nationen – viele bei uns geboren. In den Kurzfilmen von PF-Die Mischung macht’s wurden seit 2010 47 Menschen mit vielen verschiedenen kulturellen und religiösen Hintergründen portraitiert. Nun möchten wir diese Menschen wieder treffen, sie anhand ihrer Filmportraits vorstellen und mit ihnen sprechen wie sich ihr Lebensweg in den letzten Jahren gestaltet hat.

Zu Gast: Emmy Siegle (Kenia, in Pforzheim seit 2009), David Ghalimpour (Iran, in Pforzheim seit 2015) und Christian Schmidt (Deutschland, in Pforzheim seit 2006)

 

Und manchmal dürfen auch Herzchen schweben

Es geht nicht darum, Dinge schön zu reden oder gar zu verharmlosen. Und dennoch darf auch bei anspruchsvollen Themen, wie sie die Koki-Reihe „Pforzheim – die Mischung macht´s“ (in diesem Jahr aufgrund fehlender Produktionsmöglichkeiten während Corona eben „revisited“ und dafür mit den Protagonisten vergangener Reihen) mit sich bringt mal etwas Kitsch im Vordergrund stehen. Kitsch in Anführungszeichen, denn die Liebe zwischen Emmy Seela Siegle, aus Kenia stammend und seit 2009 in Pforzheim, und ihrem Mann Benny Siegle ist echt und dann auch noch eine auf den ersten Blick. Das „Produkt“ ihrer Liebe sitzt am dritten Filmabend bei der Podiumsdiskussion zwischen ihnen: die achtjährige Kimberly Soraya. Während einer Reise für ein Hilfsprojekt hat Benny Siegle nicht nur „das erste Mal überhaupt Kontakt mit Afrikanern“, sondern ist vom ersten Moment an fasziniert von der damals 18-jährigen Bibliothekarin Emmy Seela. Schüchtern bahnt er sich einen Weg zu ihr. Im Kenia von heute hätte er keine Chance gehabt, sagt Emmy Seela Siegle. „Erst Bildung, dann Heirat.“ Das junge Paar, das sich über alle befremdlichen Reaktionen ihrer Familien hinwegsetzt muss dagegen über Kühe, Schafe, Ziegen verhandeln, die als Brautpreis gefordert werden. Benny Siegle erkennt, dass er keine Chance hat. Der Preis wird bezahlt. „Das hat sich alles schon lange gerechnet“, sagt er lachend. Und beide Familien sind glücklich über diese Verbindung. Emmy Seela Siegle räumt im Gespräch mit dem zahlreich vorhandenen Publikum gern ein, dass sie es „mit einem deutschen Mann“ vielleicht etwas leichter gehabt habe mit der Integration in Deutschland. Was sie allerdings vermisse sei ihre Familie und die Offenheit der Kenianer. „Ich habe hier nur viele gute Menschen kennen gelernt“, betont sie. „Aber die Menschen hier sind egoistischer, sie arbeiten viel.“ Nun versteht sie allerdings, dass Deutsche trotz Wohlstand weniger Kinder haben als es in Kenia der Fall ist. Während Benny Siegle in Kenia lernte, fünfe gerade sein zu lassen entdecke seine Frau inzwischen deutsche Eigenschaften an sich, indem nun umgekehrt sie „Krummes gerne gerade hat“.

Als Kind das Zimmer für einen Flüchtling geräumt

Interessante Schilderungen hat an diesem Filmabend aber auch der Pforzheimer Christian Schmidt zu bieten, der während der Podiumsgespräche per Video zugeschaltet wird, da er sich gerade in Polen befindet, um Auffanglager zu besuchen. Er wuchs in einem kleinen Dorf in Norddeutschland auf und musste als Siebenjähriger zusammen mit seinem Bruder das Kinderzimmer räumen, damit ein Flüchtling aus der ehemaligen DDR aufgenommen werden konnte. „Das hat mich geprägt.“ Seinen gut bezahlten Ingenieur-Job hat er inzwischen ganz an den Nagel gehängt, um sich nur noch der Arbeit für Geflüchtete zu widmen. Es sei nicht er, so sagt er, der dem Iraner David Gholampour Tamali geholfen habe, sondern umgekehrt. „David hat mir Starthilfe gegeben“, sagt er. Der Kontakt mit dem Iraner, der an diesem Abend wegen eines Trauerfalls in der Familie nicht dabei sein kann, war bereits im Flüchtlingslager an der Enz – in dem David auf engstem Raum mit drei anderen, fremden Flüchtlingen wohnte – eng, hat sich inzwischen gelockert, weil jeder sein Leben mit Arbeit und daher wenig Zeit habe. „Aber wir telefonieren noch öfter“, so Schmidt, der davon überzeugt ist, dass eine „Verzahnung“ (womit er die Verbindung von einheimischer und zugereister Bevölkerung meint) nur „bei Begegnungen“ erfolgen könne. „Integration braucht Zeit. Und das Erste ist, dass man sich für andere interessiert.“ Denn für Christian Schmidt steht fest: „Die Heimat verlässt niemand ohne Grund.“ Was den in verschiedenen Gremien engagierten Pforzheimer um- oder besser: auf die Palme treibt/bringt sind die „vielen Hürden, die man den Menschen in den Weg stellt“. Um beim Ausländeramt gehört zu werden müsse man sich eine Woche frei nehmen, „weil niemand ans Telefon geht“. David Gholampour Tamali, so erzählt er, habe einen enormen Aufwand allein wegen seines falsch geschriebenen Namens gehabt, der auch noch eine Beleidigung auf Iranisch darstellte. Nach seiner Motivation gefragt sagt er, dass er eine Verantwortung spüre und einfach wisse, dass er gut sei in dem, „was ich mache“. Er könne die Themen, die seine Arbeit mit sich bringt, emotional auch gut ausgleichen und verarbeiten. Gleichwohl beklagt er teils „unhaltbare Zustände“ in den Auffanglagern, die er derzeit auch an der ukrainischen Grenze besucht. „Wir sind doch alle zufällig irgendwo geboren“, so sein Statement. „Und deshalb haben wir alle die gleichen Rechte.“

Hoffnung, dass Integration Wirklichkeit ist

Eine „tolle Familie“ ist der Kommentar einer Zuschauerin, auf die deutsch-kenianische „Mischung“ bezogen. „Das zu sehen macht Freude und gibt Hoffnung, dass Integration Wirklichkeit ist.“ Schöner kann man es kaum sagen. Zum Erfolg des Abends trägt dann auch Aryo Gharabatti aus dem Iran bei, der selbst Protagonist eines Filmes ist und am dritten Abend zusammen mit Koki-Geschäftsführerin Christine Müh moderiert. Ein Grußwort kommt zudem von Joyceline Esaias vom Internationalen Beirat. Sie ist in Pforzheim geboren, kann aber die Themen der Flucht, wie sie sagt, gut nachvollziehen. Ihre Eltern flohen damals aus dem Südsudan nach Deutschland.

Text/Fotos: Susanne Roth, Redaktionsbüro ROTHstift

 

PFORZHEIM - DIE MISCHUNG MACHT'S REVISITED #3 | 0 | ab 0 Jahren | 90 Minuten