Pforzheim – Die Mischung macht’s REVISITED #4

Pforzheim - Die Mischung macht's REVISITED #4

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Movie Artwork
In Pforzheim lebt die Welt. Menschen aus mehr als 140 Nationen – viele bei uns geboren. In den Kurzfilmen von PF-Die Mischung macht’s wurden seit 2010 47 Menschen mit vielen verschiedenen kulturellen und religiösen Hintergründen portraitiert. Nun möchten wir diese Menschen wieder treffen, sie anhand ihrer Filmportraits vorstellen und mit ihnen sprechen wie sich ihr Lebensweg in den letzten Jahren gestaltet hat.
Im Anschluss laden wir zur Diskussionsrunde, mit Bewirtung, im Schlosspark ein.

Zu Gast:  Michael Schilenko (Russland, in Pforzheim seit 1991) und Ildikö Wittmann (Ungarn, in Pforzheim seit 1997)

„Wir sind alle Menschen“

Am Ende eines durchaus philosophisch-humanistischen Abends fügt die aus Kenia stammende Emmy Seela Siegle, die selbst schon Protagonistin der Reihe „Pforzheim – die Mischung macht´s“ als Moderatorin auf dem Podium alles wieder zusammen. Indem sie erklärt, dass „wir alle Menschen sind, egal, wo wir herkommen“. Als solche müsse man sich auch begegnen. Die versöhnliche Geste – „wir müssen vergeben, das Leben ist zu kurz“ – ist deshalb sinnvoll und notwendig, weil die Diskussion nach den teils zehn Jahre alten Filmbeiträgen und den „revisited“-Gesprächen mit den Protagonisten sich teils in Schilderungen von „arabischen“ Problemen und Angstszenen „als kleine Frau allein in der Stadt“ und die ausländischen Gespräche nicht verstehend das, was auch mit der „Mischung“ vermittelt werden soll und zwar in einem positiven Licht: die Multi-Kulti-Gesellschaft.

Michael Schilenko: „Wir haben zu schnell Vorurteile“

Zwei Aspekte anderer Kulturen werden an diesem vierten Abend der Reihe im Kommunalen Kino (Koki) Pforzheim filmerisch dargestellt, indem Ildikö Wittmann aus Ungarn und der russisch-stämmige Michael Schilenko (genauer gesagt: aus Tadschikistan in der ehemaligen Sowjetunion) im Film ihre Geschichte erzählen. Im Fall von Michael Schilenko ist sie etwas schneller erzählt. Er ist noch ein kleines Kind, als seine Eltern nach Deutschland kommen. Dass sie im von der Moderatorin Siegle so bezeichneten „Klein-Russland“ als Russlanddeutsche landen hat nach Meinung ihres Sohnes vielleicht am Anfang eine Erleichterung bezüglich des fremden Umfelds gebracht, weil man sich in der eigentlichen Heimat einigeln konnte. „Aber das spielt heute keine Rolle mehr. Mein Vater ist immer noch Sporttherapeut und hat viele deutsche Kunden, meine Mutter unterrichtet Sport bei der Lebenshilfe.“ Und er selbst? „Ich habe einen gemischten Freundeskreis“, erzählt er im Film den ihn interviewenden Mitschülern des Hebelgymnasiums. Und das ist auch heute so. Das Einzige, was ihn stört: dass sein Freund aus dem Senegal dafür bewundert wird, dass er gut Deutsch spricht.  „Dabei ist er hier geboren.“ Er findet: „Wir haben viel zu schnell Vorurteile.“ Michael Schilenko hat seinen ursprünglichen Plan, Sportlehrer zu werden, aufgegeben. Der junge Familienvater arbeitet heute bei der Polizei.

Ildikö Wittmann aus Ungarn ist – ebenso wie Emmy Seela Siegle – der Liebe wegen nach Deutschland gekommen. Und wurde von ihrem Ehemann Klaus sofort zum Deutschunterricht geschickt. „Einmal Pforzheim bitte“, das sei der erste und einzige Satz gewesen, mit dem ihr Partner sie in den Bus gesteckt habe, wie sie lachend erzählt. Weniger zum Lachen aber war für die Ungarin, die zwei Töchter hat – die auch die einzigen sichtbaren Familienmitglieder im Film bleiben, dafür ihre Eltern interviewen dürfen – dass ihre Abschlüsse als Pädagogin nicht anerkannt wurden. „Noch nicht mal das Abitur – das war schon ein Schlag ins Gesicht.“ Als ausgebildete und studierte Frau landete sie zunächst in der Großküche – hat sich inzwischen aber zur stellvertretenden Kindergartenleiterin hochgearbeitet.

Zuschauer dürfen moderieren

Die Filme sind anrührend, vor allen Dingen auch wegen der beiden, im Jahr 2011 noch als niedliche Mädchen durchs Bild hüpfenden Töchter von Ildikö Wittmann. Zur Sache geht es dann auf dem Podium – auch dank der engagierten Wortbeiträge und Fragen der Moderatoren Emmy Seela Siegle und dem aus Kolumbien stammenden Mauricio Horlbeck, dessen Frau Protagonistin eines Filmes ist. Auch das ist gelebte Integration: dass Koki-Geschäftsführerin Christine Müh und Projektleiterin Mirzeta Haug aufmerksamen Gästen die Möglichkeit einräumen, selbst die Fragen zu stellen, die ihnen unter den Nägeln brennen.

Multi-Kulti, die Tochter der Ungarin Ildikö Wittmann, Rebekka, erklärt die gesellschaftliche Situation aus ihrer Sicht: „Vielleicht sind wir gerade dabei, einen Weg zu finden, wir wir miteinander umgehen und friedlich leben können.“ Sie jedenfalls stelle fest, dass ihre Generation es bereits gewöhnt sei, viele Menschen aus vielen Nationen um sich herum zu haben. „Multi-Kulti: Das ist für uns Alltag.“

Die aus St. Petersburg stammende Russin Irina Kozlova, die den Abend mit einem auf der Gitarre begleiteten Lied eröffnet hat ist folgende Aussage wichtig: „Wir sind nach Deutschland gekommen, weil wir es gut finden. Und weil es hier Dinge gibt, an denen es bei uns mangelt. Und es ist egal, wo man herkommt, man muss es sich bewahren, Mensch zu sein.“

Text/Fotos: Redaktionsbüro ROTHstift, Susanne Roth

https://kommunales-kino-pforzheim.de/pforzheim-die-mischung-machts

PFORZHEIM - DIE MISCHUNG MACHT'S REVISITED #4 | 0 | ab 0 Jahren | 90 Minuten