Pforzheim – Die Mischung macht’s REVISITED #2

Pforzheim - Die Mischung macht's REVISITED #2

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Movie Artwork

Zu Gast: Aryo Gharabatti (Iran, in Pforzheim seit 2012), Mohamad Najjar (Syrien, in Pforzheim 2015 bis 2017), Sabrina Drigani (Deutschland, in Pforzheim seit ihrer Geburt) und Amin Alachaher (Algerien, in Pforzheim seit 2015)

In Pforzheim lebt die Welt. Menschen aus mehr als 140 Nationen – viele bei uns geboren. In den Kurzfilmen von PF-Die Mischung macht’s wurden seit 2010 47 Menschen mit vielen verschiedenen kulturellen und religiösen Hintergründen portraitiert. Nun möchten wir diese Menschen wieder treffen, sie anhand ihrer Filmportraits vorstellen und mit ihnen sprechen wie sich ihr Lebensweg in den letzten Jahren gestaltet hat.

Aryo Gharabatti: Die Menschen sollen sich so verbinden wie die Flüsse in Pforzheim

Trotz aller Traumata und erschütternder Schilderungen am zweiten Filmabend von „Pforzheim – Die Mischung macht’s – revisited“ sind es Sätze wie dieser des aus dem Iran stammenden Aryo Gharabatti, die im Gedächtnis bleiben. Weil sie schön sind, weil sie Hoffnung machen. Weil sie von einem heute 37-Jährigen stammen, der in seinem Leben schon dunkelste Stunden durchmachen musste. „Eigentlich müsste man da professionelle Hilfe suchen. Aber ich kann inzwischen damit umgehen“, sagt der heute in der IT-Branche arbeitende Aryo Gharabatti, dessen Schicksal am zweiten Abend der Reihe im Kommunalen Kino Pforzheim (Koki) durch seine Heftigkeit in den Fokus rückt: Nach der Flucht und durch die begrenzten beruflichen Möglichkeiten in Deutschland geht es dem Vater psychisch immer schlechter. Die Eltern trennen sich. Beim Auszug des Vaters wird der junge Aryo Gharabatti ausgesperrt, was der Vater nutzt, um die Mutter umzubringen. Der soziale Abstieg einer einst im Iran angesehen und erfolgreichen Familie wird im 2017 gedrehten Film ganz offen von dem jungen Mann angesprochen, der nach Jahren des Herumgeschoben-Werdens zwischen Ländern und Verwandten nun seinen Weg macht.

Mit Ehrgeiz und Integrationswillen

Die Spur eines weiteren Flüchtlings, Mohamad Najjar aus Syrien, der 2015 nach Pforzheim kam, verliert sich in Frankfurt. Er ist an diesem Abend nicht zu Gast, aber der Film zeigt einen ehrgeizigen und integrationswilligen jungen Syrer, der sich in seiner Firma beliebt macht und sich in seiner Glaubensgemeinschaft wohl fühlt. „Wir sind so viele verschiedene Menschen mit verschiedenen Sprachen und verschiedenem Aussehen, aber der Glaube vereint uns.“

Ein Paar kämpft gegen Vorurteile

Einen ganz anderen Kampf auf ihrem Weg zum Glück müssen Sabrina Drigani aus Pforzheim und Amin Alachaher aus Algerien ausfechten. Das Paar lernt sich in Pforzheim kennen. Und lieben. Sabrina Drigani sieht sich teilweise von ihren Freunden verratenen, die ganz tief in der Vorurteils-Kiste kramen. Muslime = Terroristen. Diese Gleichung hat Sabrina durch die Medien auch fast geglaubt. Bis sie Amin Alachaher näher kennen lernt. Die Beiden werden zunächst ein heimisches Liebespaar. „Zwei Freunde habe ich verloren, aber das ist wohl auch besser so“, konstatiert Köchin Sabrina. In der jeweiligen Schwiegerfamilie werden sie herzlich aufgenommen, das Eis bricht schnell. Doch die Behörden-Gänge, falsche Beratungen durch Amtspersonen (von Sabrina Drigani geschildert) verlangen dem Paar einiges an Durchhaltevermögen ab. Zäh kämpfen sie sich durch – Aufgeben kommt nicht in Frage. Amin Alachaher ist heute Restaurantmanager einer Fast-Food-Kette. Über die Ehe sagt Amin Alachaher, den seine erkrankte Frau an diesem Abend nicht begleiten kann: „Erst kommt der Respekt, alles andere kommt dann.“ Und er sagt auch: „Der beste Freund muss nicht aus deinem Land sein.“

Steine aus dem Weg räumen

Steine aus dem Weg räumen: Dieser Wunsch kristallisiert sich in der sich an die Filmvorführungen anschließenden Diskussion heraus – er bezieht sich vor allem darauf, dass Fachkräfte nicht rekrutiert werden können, weil Zeugnisse und Abschlüsse nicht anerkannt werden. „Elektrische Arbeiten sind doch wohl in Russland auch nicht anders als hier“, so ein Zuschauer. Unverständnis macht sich breit darüber, dass im Ausland übersetzte Zeugnisse trotzdem nicht anerkannt werden. Und erneut bezahlt werden müssen. So berichtet „Die Mischung macht’s“-Projektleiterin Mirzeta Haug von einer Krankenschwester, die deshalb als Friseurin in Deutschland arbeiten muss, weil sie sich die Übersetzung nicht leisten könne.

Den Protagonisten wird an diesem Abend viel Anerkennung und Respekt zuteil. Vor allem Aryo Gharabatti wird für seinen Mut bewundert, dass er seine Geschichte von der ermordeten Mutter erzählt. „Das ist wie eine Narbe, sie bricht immer mal wieder auf und geht dann wieder zu.“ Sie sei erst kürzlich durch den Tod eines Freundes wieder aufgebrochen.  „Da war alles wieder da.“ Er lächelt. Das Leben geht weiter. Muss. Und: Der Dank der Podiumsteilnehmer geht auch ans Publikum zurück.

 

 

 

 

PFORZHEIM - DIE MISCHUNG MACHT'S REVISITED #2 | 0 | ab 0 Jahren | 90 Minuten