Pforzheim – Die Mischung macht’s REVISITED #7

Pforzheim - Die Mischung macht's REVISITED #7

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Movie Artwork

Zu Gast: Saideh Sheni (Iran, in Pforzheim seit 2015), Sehre Kurt (Türkei, in Pforzheim seit 1993) und Inga Läuter (Deutschland, in Pforzheim seit 2012)

In Pforzheim lebt die Welt. Menschen aus mehr als 140 Nationen – viele bei uns geboren. In den Kurzfilmen von PF-Die Mischung macht’s wurden seit 2010 47 Menschen mit vielen verschiedenen kulturellen und religiösen Hintergründen portraitiert. Nun möchten wir diese Menschen wieder treffen, sie anhand ihrer Filmportraits vorstellen und mit ihnen sprechen wie sich ihr Lebensweg in den letzten Jahren gestaltet hat.

 

Integration ist harte Arbeit

Auch beim siebten Filmabend „Pforzheim – Die Mischung macht’s – revisited“, bei dem Menschen mit Migrationshintergrund und weitere Pforzheimer Bürger im Kommunalen Kino (Koki) in vor Jahren gedrehten Filmen und danach beim Podiumsgespräch aus ihrem Leben erzählen kristallisiert sich heraus: Integration ist harte Arbeit. Für Menschen mit Migrationshintergrund, die oft wegen Gefahr für Leib und Leben aus ihrer Heimat flüchten (müssen) gilt das doppelt. Auch scheint dies eine weitere Wiederholung zu sein: dass sich in den Ausländerbehörden viel zu wenig bewegt. Laut Aussage von Personen, die ganz nah am Geschehen sind. Wobei ganz klar die dort Arbeitenden/Überarbeiteten in Schutz genommen werden, aber auch klar das Gefälle Enzkreis/Stadt – wobei letztere schlechter weg kommt – angesprochen wird.

Respekt erhalten

Und dennoch sind es durchaus Mut machende, Respekt einflößende Geschichten, die Saide Shehni aus dem Iran etwa erzählt, die mit ihrer Tochter Anfang der Jahrtausendwende sieben Jahre lang in einer Flüchtlingsunterkunft ausharren musste, ohne nennenswerte Hilfe, ohne sicheren Boden unter den Füßen. Als der Aufenthalt bewilligt wurde und ihr Mann aus dem Iran nachkommen konnte war es für die heutige Chefköchin einer Kantine zu spät, um ihre Träume von einem Studium umzusetzen. Oder die Jesidin Sehre Kurt aus der Türkei, die zusammen mit ihrem Mann hart daran arbeitete, sich etwas Eigenes aufzubauen. Sie hat es geschafft, die Kinder sind zu Recht stolz auf die Eltern. Die aus Kiel stammende ehemalige freie Journalistin Inga Läuter wiederum zeigt sich als Expertin in Sachen fremde Länder und Flüchtlingsthematik, die heute auch in der Integrationsarbeit tätig ist und sich gern noch mehr Offenheit wünschen würde, auch wenn sie auch und gerade unter den Flüchtlingen eine große Hilfsbereitschaft bemerkt.

Berührende Szenen – beeindruckende Aussagen

Es sind wie eigentlich immer eindrucksvolle Szenen, die sich oft in den Filmen zeigen, aber auch eindrucksvolle Aussagen, die die Protagonisten im Nachgespräch treffen und die vor allem die spannende Entwicklung von teilweise mehr als zehn Jahren dokumentiert. Saideh Shehni, die nicht nur von Koki-Geschäftsführerin Christine Müh, sondern auch von den ebenfalls in Filmen vorkommenden Frauen Ildikó Wittmann (aus Ungarn stammend) und ihrer in Pforzheim geborenen Tochter Victoria interviewt wird ist auch heute noch der Meinung, dass man Deutschland mit Freiheit in Verbindung bringen sollte. Auch wenn sie einräumt, dass sie damals im Jahr 2001 so gut wie keine Hilfe fand und sich sieben Jahre aufs Abstellgleis gestellt sah (was sie so nicht sagt, aber schildert). Deutsch habe sie von ihrer Tochter gelernt, erzählt die Frau, die sich allein und ohne ihren im Iran zurück gebliebenen Mann durchschlagen musste, sich jeden Abend in den Schlaf weinte. „Ich war immer eine Kämpferin. Und man muss Geduld haben.“ Christian Schmidt, der bekannt ist dafür, dass er seine Leidenschaft – die Hilfe für Flüchtlinge – zum Beruf gemacht hat hält sich nicht lange damit auf, was sieben Jahre des Untätigseins und der Unsicherheit mit einem Menschen machen; er bemerkt eine zunehmend öffentlich geführte Diskussion über die Tatsache, dass diese Personengruppe oft über „fünf Tage zehn bis 15 Mal am Tag“ versuchen muss, telefonisch bei der Ausländerbehörde in der Stadtverwaltung durchzukommen.

Manchen geht die Kraft aus

Auch Inga Läuter, die für den IB Integrationsarbeit in Neuenbürg macht (und zudem noch mit ihrem Lebensgefährten eine Bio-Hof übernommen hat) stellt fest, dass so manchem Geflüchteten die Kraft ausgeht. „Das sind für mich verlorene Jahre“, so Schmidt, der in diesem Zusammenhang nicht nur auf fehlende und dringend benötigte Arbeitskräfte hinweist, sondern auch auf nicht gezahlte Steuern. Saideh Shehni hat damals in ihrer einsamen Not den Weg in die Schlosskirche gefunden und ist dann – ohne Probleme innerhalb der Familie, aber wohl wissend, dass auf ein Konvertieren die Todesstrafe im Iran steht – von der muslimischen Religion zur christlichen gewechselt. Die viel gereiste und im Thema erfahrene Journalistin Inga Läuter bezeichnet Pforzheim nicht nur aus heutiger Sicht als „Einwandererstadt“. Angesichts ihrer gesammelten Erfahrungen empfinde sie große Demut und Dankbarkeit dafür, „was wir hier haben“. Ihr Wunsch, mehr interkulturelle Feste zu erleben geht zum einen dank ihrer Arbeit am 18. Juli im Schlossgarten mit einer Veranstaltung des IB (Internationaler Bund) in Erfüllung, aber auch von Seiten des Kommunalen Kinos ist ein großer Abschlussabend mit Konzert geplant, der auf den 17. September ins Kulturhaus Osterfeld verlegt wurde.

Beim nächsten Filmabend am 4. Juli sind ab 19 Uhr die Porträts von Anwar Kathari (Iran), Karl Scholten (Deutschland), Toi Minh Die Vo-Nguyen (Vietnam) Thema. Man darf gespannt sein und hinterher gibt es wie immer ein gemeinsames Mahl am reichhaltigen und ebenfalls interkulturellen Büffet.

PFORZHEIM - DIE MISCHUNG MACHT'S REVISITED #7 | 0 | ab 0 Jahren | 90 Minuten