Pforzheim – Die Mischung macht’s #5

Pforzheim – Die Mischung macht's #5

Im fünften Doppelporträt werden die Jesidin Sehre Kurt und die Deutsche Inga Läuter vorgestellt.

Movie Artwork

Sehre Kurt
Sehre Kurt ist Jesidin. Damit gehört sie zu einer Minderheit in der Türkei. Durch die Heirat mit Zeki Kurt kommt sie 1993 nach Pforzheim. Seither fühlt sie sich hier heimisch. Alle vier Kinder sind im Siloah geboren. Inzwischen haben sie ihre Ausbildung abgeschlossen, sind in der Ausbildung oder gehen noch zur Schule. In jedem Fall haben sie eine Zukunft. Das ist Sehre Kurt wichtig, die mit ihrem Mann eine Gebäudereinigungsfirma betreibt. Alle Mitglieder der Familie Kurt haben einen deutschen Pass.
Inga Läuter
Als Fischkopf ins Badische „ausgewandert“, sieht sich Inga Läuter noch heute mit sprachlichen Herausforderungen konfrontiert – obwohl die Kielerin ihre Kindheit und Jugend in der Region verbracht hat. Die 34-Jährige hat Politikwissenschaft, Soziologie, Friedens- und Konfliktforschung studiert. Seit 2011 arbeitet sie als freie Journalistin. Bei einer Reportage über die Sammlung von Hilfsgütern für Jesiden hat Inga Läuter die Familie Kurt kennengelernt und deren türkisches Heimatdorf besucht.

 

„Wir sind ein Teil von Deutschland“

Frauenpower beim fünften Filmabend von „Pforzheim 2017 – Die Mischung macht’s“ im Kommunalen Kino

Frauenpower war beim fünften Filmabend von „Pforzheim 2017 – Die Mischung macht‘s“ angesagt. Als sich der symbolische Vorhang vor ausverkauftem Saal im Kommunalen Kino hebt, stehen Inga Läuter, freie Journalistin, und Sehre Kurt, Kleinunternehmerin, im Mittelpunkt des Geschehens. Beide Frauen sind keine Pforzheimer Urgewächse. Inga Läuter kommt im Alter von vier Jahren in die Region, aus dem hohen Norden, aus Kiel, – „ich war die Reingeschmeckte und das ganz lange“. Sehre Kurt ist neun Jahre alt, als sie zusammen mit ihren acht Geschwistern und den Eltern aus ihrer Heimat, der Türkei, flieht. Die Familie sind kurdische Jesiden und werden deshalb verfolgt. In Wilhelmshaven, ihrer ersten Station in Deutschland, muss sie zur Schule gehen und weint bittere Tränen, wenn der Vater sie am Schultor zurücklässt. Später geht die Familie nach Bielefeld und mit ihrer Heirat zieht Sehre Kurt nach Pforzheim. Hier lebt sie seit 1993 mit ihrem Mann und ihren vier Kindern, von denen Drei schon erwachsen sind. Und auch die Dritte im Bund, die Filmemacherin Svetlana Majer, hat einen Migrationshintergrund. Geboren in Kasachstan kommt sie mit sieben Jahren als Spätaussiedlerin nach Deutschland. „Ich konnte kein Wort Deutsch. Diese Erfahrung hat mich für mein Leben geprägt“.

Trotz der Startschwierigkeiten, die alle drei in ihrer neuen Heimat haben, möchte keine mehr aus der Region wegziehen. Auch wenn Sehre Kurt sagt: „Wir sind zwischen zwei Welten“ – zwischen den Wurzeln in der alten Heimat und dem Angekommen sein in der neue Heimat. Von den „Einheimischen“ wünscht sie sich, dass man sie nicht als Ausländerin sehen solle: „Wir sind ein Teil von Deutschland“. Inga Läuter macht deutlich, dass Integration ein Prozess sei, der „von beiden Seiten gegangen werden muss.“ Vor allem dürfe Integration nicht mit Assimilation gleichgesetzt oder verwechselt werden, sagt sie.

Schule, Sprache, Bildung sind dabei wichtig Bausteine. „Hier in Deutschland zu leben, ist so leicht. Hier sind wir sicher und unsere Kinder haben hervorragende Möglichkeiten für Schule und Ausbildung“, so Sehre Kurt. Sie wisse nicht, ob ihr Bildungsweg in ihrer ehemaligen Heimat so möglich gewesen wäre, sagt Svetlana Majer. Derzeit studiert die 28-Jährige „Gesundheitsförderung BA“ an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg. Vorher hat sie Abitur gemacht und eine Ausbildung absolviert. Wie wichtig die Sprache in einem fremden Land ist, diese Erfahrung hat Inga Läuter nicht nur bei ihren zahlreichen Reportagereisen gemacht. Die 34-Jährige hat auch längere Zeit in Ecuador gelebt. „Ich bin dort mit meinem Schulspanisch nicht weit gekommen und habe mich deshalb wie unter einer Glashaube gefühlt.“ Und noch etwas Wichtiges habe sie bei ihren Reisen gelernt: „Die Dankbarkeit und die Demut für das, was wir hier haben“. Trotz der ernsten Klänge in der sich an den Film anschließenden Diskussionsrunde mit Projektleiterin Mirzeta Haug ist auch der fünfte Abend von „Pforzheim 2017“ mit vielen guten Begegnungen und jeder Menge guter Laune ausgeklungen. Mit dazu beigetragen haben sicherlich das reich gedeckte Büfett mit kurdischen, jesidischen, türkischen, norddeutschen und süddeutschen Spezialitäten sowie die kurdische Livemusik, zu der noch lange im Schlosspark getanzt und gefeiert worden ist.

Am kommenden Sonntag, 20. August, geht es im Kommunalen Kino weiter mit „Pforzheim 2017 – Die Mischung macht’s“. Um 18 Uhr heißt es dann, Vorhang auf für das Filmporträt von Aryo Gharabatti (Iran) und Mohamad Najjar (Syrien).  Ina Rau 

Kartenreservierung unter 07231/5661970. Das Rahmenprogramm ist im Eintrittspreis inbegriffen.

DE 2017 | Regie: Svetlana Majer | Mit: Sehre Kurt, Inga Läuter | 60 Minuten